Bericht Vancouver bis Whitehorse

von Klaus Lüttgen (Kommentare: 0)

Der Bericht:

Whitehorse, 02.08.2011

Eine gute Landung!

Mein Anhänger ist schnell zusammengebaut und alle sieben Sachen
verstaut, als ich an der Airportinfo stehe und mein Gefährt neugierige Blicke
auf sich zieht. Die Dame vom Stand ist besonders angetan von meiner
Unternehmung„20.000 Orden für Alaska“ und drückt mir sogleich eine Adresse in
die Hand.„Meine Tochter lebt mit ihrem Mann in Valdez, du brauchst nur im
Postsoffice nach ihr zu fragen, die kennen sich alle dort. “Wer hätte das
gedacht? Kaum aus dem Flieger und schon eine mögliche Übernachtung in meinem
Hauptziel Valdez. Allerdings sind es bis dorthin noch schlappe 4500 km. Nun
schnell raus aus Down-Town Vancouver! Die letzte Nacht zu Haus war viel zu
kurz, die 10-einhalb Stunden Flug viel zu lang und nun sind es noch 64 km bis
zum ersten Camp. Ich arbeite mich durchs Großstadtgewimmel von
Multiculti-Vancouver quer durch den Stanley-Park über meine schöne Lions-Bridge
nach North-Vancouver. Dort geht es weiter den Marine-Drive an der Küste entlang
und beständig rauf und runter bis Horseshoe-Bay. Über den Sea to Sky-Highway
erreiche ich am Abend endlich Porteau-Cove, herrlich gelegen dieses
Taucherparadies und mein Zelt steht direkt am Ufer des Pacific. Ich will es
langsam angehen, geht auch gar nicht anders, denn schnell wird mir klar, dass
meine Fuhre völlig überladen ist! Beständig geht es bergauf und am dritten Tag
bei den Nairn Falls, treffe ich eine wichtige Entscheidung. Wendy und David,
ein Ehepaar aus Vancouver, bieten sich an und bringen etwa 7 kg an Überlast
zurück nach Vancouver zu einem Schweizer Freund, der dort seit 33 Jahren lebt.
Ab Pemberton beginnt der Anstieg zur Duffey Lake Road. Bis zu 14% geht es hier
brutal zur Sache und ich muss deutlich Federn lassen, Unablässig schiebe ich
meinen Karnevalszug nach oben. Es regnet die ganze Zeit über und nach 6-einhalb
Stunden Schwerstarbeit stehe ich auf dem Peak als plötzlich, wie aus dem Nichts
ein Radfahrer aus dem Nebel auftaucht. Kyle ist ca.20 Jahre und misst etwa 2
Meter. Ich erkenne sofort, er fährt einen Eddi Merx-Renner aus den 80zigern.
Eddi ist mein großes Vorbild erzähle ich ihm, der ‘Kannibale’ hat damals am
Berg so ziemlich alle gefressen! Fröhlich pfeifend und sichtlich stolz fährt Kyle
zurück in Richtung Pemberton. Für den Anstieg hat er gerade mal 1-einhalb
Stunden gebraucht. Dauerregen! Ich lasse mich talwärts rollen und hoffe bald
ein geeignetes Camp zu finden. Mir ist kalt und schon nach 21.00 Uhr taucht
plötzlich auf der linken Seite ein Braunbär auf, ich brauche gar nicht zu
klingeln mein ‘Dicker Pitter’ (Fahrradglocke, groß) hat sich gelöst und von dem
Gerappel aufgeschreckt läuft er quer über die Straße und verschwindet im Wald.
Das war ein Cinnamon, ein rotblonder Schwarzbär. Die Schwarzbären sind eben
nicht alle schwarz. Ich bin nass bis auf die Knochen als ich unweit meiner
ersten Bärenbegegnung den Recreation-Campground ausmache. Direkt am
Lilloeet-River schlag ich mein Zelt auf. Es ist 21.30 Uhr, ich bin völlig
alleine hier in den Bergen. Ich hab Hunger und muss unbedingt noch was Warmes
essen. Als ich meinen Beutel mit den Lebensmitteln auf einen Baum ziehe ist es
bereits 22.30 Uhr und dunkel. Jetzt ab ins Zelt, doch vorher drehe ich mich
noch ein paar mal um……wo ist der Bär ? Mit dem Bärenspray neben mir ziehe ich
den Reißverschluss runter und schlafe alsbald ein. Zum Angsthaben war ich heute
viel zu müde!!!! Ich fahre durch ein wunderschönes Hochtal und erreiche zwei
Tage später die Junction zum Highway 97. An der alten Gasstation in 70 Mile
House fühle ich mich in die 60ziger zurückversetzt. Überall stehen alte Autos
rum und die neueren sehen bereits auch schon recht mitgenommen aus. Hier achtet
man eben nicht so sehr auf Rost und Beulen. Die Gegend hier am Green Lake gefällt
mir ausgesprochen gut, ja hier würde ich mir meine Hütte bauen. Nach einer
rasanten Abfahrt gelange ich Tage später nach Clearwater. Hier, im Halfmoon
Guesthouse, wunderschön abseits am Rande des Wells Gray Provinzial-Park
gelegen, verbringe ich die nächsten Tage und gönne meinem schwer gekränkten
Gebein erstmal eine Ruhepause. Leider sind meine voraus verschickten Orden noch
nicht angekommen, die Post streikt seit Wochen in Canada. So bin ich froh, dass
ich noch ein paar in meinem Handgepäck habe und meine Tour trotzdem weitergeht.
Auf dem Weg nach Valemount werde ich in den Bergen von zwei aufeinander
folgenden sogenannten Thunderstorms eiskalt erwischt und flüchte auf in ein
Waldklo. Als ich Stunden später Valemount erreiche, bin ich fast steif gefroren
und übernachte im Valemount-Hotel, ein Haus wohl aus der Gründerzeit. Das Hotel
ist unbelegt und so habe ich alle Zimmer für mich allein….wonderfull. Nachts
höre ich das Signalhorn des Rocky-Mountainers und als er näher kommt, wackelt
das ganze Hotel…hoffentlich fährt er nicht durch mein Zimmer, hoffe ich und von
irgendwoher aus den Bergen dringt das Geheul der Kojoten in die kleine Stadt
Valemount.

Am Lake Lasalle versorgen mich die Geologen Jim ,Richard, Jeff
und Chris mit Trinkwasser und auf der Strecke nach Prince-Georg, wieder mal
total durchnässt, bietet mir Byron, ein junger Canadier, einen Lift auf seinem
Pick-up an. Dort angekommen verbringe ich die Nacht bei einer Studentenclique.
Kaum in Smithers bietet mir Jürgen, ein Deutscher, für ein paar Rage einen
Schlafplatz in seinem Trailer an. Auf dem Stewart Cassier-Highway saugen mir
die verdammten Mücken das Blut aus den Adern, als ich in letzter Minute vor
einsetzendem Gewitter auf einem Steg mein Zelt aufschlage. Allein auf dem
Cassier sehe ich 17 Schwarzbären und während einer Nachtfahrt bei Vollmond zum
Kinnaskin-Lake, habe ich die erste Begegnung, mit ursus horribiles. Nach 115 km
musste ich unbedingt noch mein Camp erreichen. Dann lag er da völlig locker im
Gras, wie ein riesiger Bernhardiner, doch es war ein Grizzly!!

Diesmal war ich ausgesprochen froh als ich dann nach weiteren
2-3 km das Camp ereiche und festellen musste, dass die besten Plätze an diesem
traumhaften See schon belegt sind…..Hauptsache, ich bin wieder unter Menschen.
Endlose Wälder und viele hundert Kilometer weiter scheint das Leben
ausgelöscht. Hier etwa 50 km vor der Junction zum Alaska Highway 1 hat es vor
ein paar Wochen gebrannt. Die ‘schwarzen Wälder werden mich die nächsten Tage
unablässig begleiten.

Nach 2478 km stehe ich im Schilderwald von Watson Lake und kann
kein Schild von Köln entdecken. Bei mittlerweile weit über 72.000 Schildern ist
das auch keine leichte Aufgabe!

Kurzum besorge ich mir geeignetes Material und male ein Schild
für uns Kölle.

120 km weiter. Ich sitze in der Rancheria, einem Hotel-Motel mit
Gasstation, als Linda, die Besitzerin, sich für die Tour interessiert und mich
anspricht. Als ich ihr meine Unternehmung 20.000 Orden für Alaska erkläre, sagt
sie wie aus der Pistole geschossen: „du bekommst eine freie Übernachtung im
Hotel und ein Abendessen von mir.“

Nach sieben Wochen Tortourdas erste Bad. Oh wie
habe ich das genossen. Es tut soooo gut . Als ich dann später im Restaurant
sitze traue ich meinen Augen nicht, als die Bedienung mir das Essen bringt.
Zwei Teller voll Pommes mit Burger. Danke Linda!

Überall, wo ich mit meinem Karnevalszug erscheine, begegnen mir
die Menschen aufgeschlossen und hilfsbereit und dies bereits seit fast acht
Wochen.

Nun habe ich mein Zelt direkt am Yukon auf dem Robert Service
Campground aufgeschlagen und versuche hier in der Library von Whitehorse und in
verschieden Internettcafes meinen ersten Artikel im Einfingersystem zu
verfassen.

Genau 3017 km liegen bereits hinter mir, doch der Ruf der
Wildnis lockt mich weiter. Bald geht es wieder raus aus der
‘Großstadt’Whitehorse, immer nördlich der Sonne Richtung Alaska.

Fortsetzung folgt!

Klaus Luettgen

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